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Extremhochwasser in Velbert

Update und Aufruf zur Unterstützung (08.08.2021)

Aufgrund fehlender Pegeldaten habe ich mit Unterstützung aus der Bürgerschaft begonnen, das Hochwasserereignis mittels verorteter Fotos und Kartierung der aktuellen Überschwemmungsgrenzen zu dokumentieren. Es gibt daher die zusätzlichen Kartenebenen (Layer) „Fotos/Videos“, „aktuelle Überschwemmung“ und „Wasserstand“. Dies dürfte eines der ersten Projekte der sog. „Bürgerwissenschaft“ (Citizen Science) in Velbert sein.

Hierzu wäre es nett, wenn Sie uns weitere Fotos per E-Mail (geodaten-velbert@posteo.de) zusenden könnten und kurz den Aufnahmeort (z.B. die Adresse) und Blickrichtung angeben könnten. Wer Interesse hat, bei der Geodatenpflege mitzuwirken, kann sich ebenso melden. Vielen Dank!

Durch das Starkregenereignis am 14.07.2021 wurden u.a. Teile von Neviges, Langenberg und Nierenhof stark überflutet.

Ich habe dazu eine Karte erstellt, die verschiedene Geodaten aus dem Hochwasserrisikomanagement (HWRM) des Landes NRW umfasst:

  • Überschwemmungsgrenzen des Deilbaches und Hardenberger Baches für ein Hochwasser mit statistischer Eintrittswahrscheinlichkeit alle 1.000 Jahre (sog. HQ extrem),
  • die am 02.04.2015 festgesetzten Überschwemmungsgebiete,
  • Wassertiefen in Überschwemmungsgebieten bei einem extremen Hochwasserereignis,
  • Hochwasserrückhalteflächen des Flächennutzungsplans Velbert.

Es zeigt sich, dass das Hochwasser vom 14./15.07. die Überschwemmungsgrenzen des sog. HQ extrem (Jährlichkeit: 1.000 Jahre !) erreicht und durch weitere betroffene Gewässer teilweise sogar überschritten hat.

Überschwemmungen auch abseits der Risikogewässer

Durch diese Überschwemmungen konnten z.B. weitere Straßen in Langenberg nicht passiert werden. Der Brandenberger Bach (am Bökenbusch) hat (erneut) die Vogteier Straße überschwemmt. Auch die Wewersbeek hat (nach Erzählungen von Anwohnern) Bereiche an der Wilhelmshöher Straße, Weberstraße und Heeger Straße überschwemmt. Der Felderbach hat zusätzlich die Bonsfelder Straße und der Eselssieper Bach die Bleibergstraße nebst Bahnübergang überströmt.

Es zeigt sich, dass eine Beschränkung auf die sog. „Risikogewässer“ Deilbach und Hardenberger Bach dem Hochwassergeschehen nicht mehr gerecht wird.

Auch die Einschätzung zu Starkregenereignissen wird sich ändern müssen. Die Technischen Betriebe Velbert (TBV), haben zur Entwicklung der Hochwassersituation in Langenberg am 16.06.2020 im Bezirksausschuss berichtet:

Die beschriebene Starkregenproblematik betreffe in erster Linie eine Überlastung der Kanalnetze und nicht der Gewässer. Es handele sich um kurze, aber extrem intensive Regenfälle, die zu Überflutungen aus einem Überstau des Kanalnetzes führen. Eine weitere Ursache für Überflutungen bei diesen Starkregen sei Wasser von befestigten Flächen abzuleiten, das nicht in den Kanal abfließen kann, falls die Leitungen und Sinkkasteneinläufe überlastet oder verstopft sind oder von unbefestigten Flächen, auf denen das Wasser aufgrund der Intensität des Regens nicht versickern kann. Die Starkregen verursachen in der Regel keine extremen Hochwässer in den Gewässern. (…)“

Dass die durch den Klimawandel häufigeren und extremeren Starkregenereignisse auch in Gewässern extreme Hochwässer verursachen, hat das Ereignis eindrucksvoll dokumentiert.

Bauen im Überschwemmungsgebiet

In festgesetzten Überschwemmungsgebieten sollen bauliche Anlagen nicht errichtet oder erweitert werden. Dennoch hat der Flächennutzungsplan Velbert in Nierenhof die Wohnbaufläche bis an den Rand des Deilbaches erweitert. „Die Flächen liegen deutlich höher als der Deilbach.“ (Umweltbericht zum FNP, 07/2009, S. 159)

Flächennutzungsplan
Festgesetztes Überschwemmungsgebiet und Wassertiefen eines mittleren Hochwasserereignisses

Im BZA Langenberg am 27.04.2016 hat die Verwaltung dann darüber berichtet, „dass die Voraussetzungen geschaffen seien, dass auf dem Grundstück „Im grünen Winkel“ in Ufer-/Bachnähe gebaut werden könne.
Am 14.07.2021 wurden die gerade fertiggestellten Wohngebäude am grünen Winkel sowie weitere Bestandsgebäude vom Hochwasser überflutet.

Umweltschäden

Stark betroffen vom Hochwasser waren auch die Wieland Werke in Nierenhof. Hier hat die Überflutung auch für eine Umweltbelastung des Deilbaches gesorgt.

Ölansammlung in den ehem. Klärbecken (Quelle: Digitale Orthophotos RVR 2021 (Hochwasserbefliegung))
Öleintritt in den Deilbach

Ölsperre im Klärbecken

Das beherzte Eingreifen der Unteren Wasserbehörde, der Feuerwehr und der Wieland Werke haben den Schaden begrenzt.

Pegel

Die Messung des Wasserstandes an oberirdischen Gewässern erfolgt durch Pegel. Im Bereich des Einzugsgebietes von Hardenberger und Deilbach gibt es drei vom LANUV NRW betriebene Pegel (Neviges im Hardenberger Bach, Nierenhof im Felderbach und Langenberg_2 im Deilbach).

Der Pegel Langenberg_2 an der Voßkuhlstraße in Nähe des Bahnhof Langenberg liefert seit Juni 2021 keine Daten mehr. Die Pegel Neviges (Hardenberger Bach) und Nierenhof (Felderbach) haben schon 2020 keine Daten mehr geliefert. Hier wäre zu klären, warum dies der Fall ist und wie zukünftig eine Analyse der Wasserstände und Hochwasserwarnung erfolgen kann.

Update 03.11.2021: An den genannten Pegeln sind doch Wasserstandsdaten aufgezeichnet worden. Sie sind aber nicht in das Auskunftssystem HYGON eingeflossen. Der Velberter Beigeordnete Jörg Ostermann hat sich gekümmert und mir die Daten nach einem Treffen im Rosenhaus zur Verfügung gestellt. Dafür besten Dank.

Fazit

Es wird einiger Änderungen in der Stadtplanung, Anstrengungen zu weiterer Hochwasserrückhaltung und der Vorsorge gegen Schadensrisiken bedürfen, um zukünftig besser auf solche Ereignisse vorbereitet zu sein.

Die grüne Bundestagsfraktion hat ein sehenswertes Fachgespräch zu den Hintergründen und Konsequenzen dieses Extremereignisses geführt: „Hochwasservorsorge in der Klimakrise“

Zum Schluss noch zwei Buchtipps (zu bestellen z.B. bei Buchhandlung Kape oder leihweise bei mir):

  • Deutschland 2050, Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird, Nick Reimer und Toralf Staud, Kiepenheuer & Witsch, 2021
  • Wütendes Wetter, Auf der Suche nach den Schuldigen für Hitzewellen, Hochwasser und Stürme, Friederike Otto, Ullstein, 2019